Wie bereits mehrfach erklärt, ist zur Vermeidung von Unwuchten unserer Rotorblätter wichtig, dass Masse x Radius (m*r) der Blätter möglichst gleich ist. Egal ob dabei die Schwerpunktlage der Blätter aneinander angepasst wird, am Ende des Wuchtprozesses muss m*r der Blätter möglichst gleich sein.
Die meisten Methoden kontrollieren genau dieses m*r sowieso schon mit der Blattwaage. Die Drahtmethoden korrigieren aber nur den Radius r.
Also reicht es doch, nach dem Verschieben des Schwerpunktes nur noch das Gewicht der Blätter zu kontrollieren. Damit hat man dann die Masse der Blätter und den Schwerpunktradius gleichgesetzt. Sollte doch jetzt alles OK sein, oder?
Ich möchte hier nochmal darauf eingehen, warum das eine ungenaue Methode ist.
Auf OlliWs Bastelseiten ist zwar bereits erklärt, warum Blattwaagen genauer sind als Briefwaagen, ich möchte das Ganze hier aber wieder mal mit etwas Mathe erklären, bzw. mit einer Beispielrechnung nachweisen. Vielleicht wird es verständlicher, wenn zum Schluss echte Werte da stehen, die man vergleichen kann.
Nehmen wir mal wieder unsere 600er Blätter und schauen uns bei beiden Methoden mal an, was die an Ungenauigkeiten in den Blättern lassen.
So sollen die Blätter aussehen. Das Gewicht haben wir gemessen, die SP-Lage mit einer Drahtmethode gleichgesetzt.
Masse SP-Lage
Blatt 1 123g 295mm
Blatt 2 122,9g 295mm
Zuerst die Methode mit einer Briefwaage mit 0,1g Auflösung:
Wenn wir die Werte der Blätter anschauen wird klar sein, dass wir beim Blatt 2 genau im Schwerpunkt noch 0,1g im Schwerpunkt aufbringen müssen, um die Blätter gleich zu machen.
Die sollten dann so aussehen:
Masse SP-Lage
Blatt 1 123g 295mm
Blatt 2 123g 295mm
Folgendes Problem dabei:
Sowohl die Schwerpunktlage als auch das Gewicht kennen wir nur mit einer bestimmten Genauigkeit.
Die absolute Lage der Schwerpunkte vernachlässigen wir mal. Es ist nicht wichtig, ob die Schwerpunkte bei 295mm oder bei 305mm liegen.
Uns ist nur wichtig, dass die bei beiden Blättern einigermaßen (eben im Rahmen der Genauigkeit der Methoden) gleich ist.
Schwerpunktlage:
Die bisherigen Drahtmethoden lassen durch Toleranzen eine Abweichung der Schwerpunkte von ±0,5mm zu.
Wenn wir die Methoden anwenden, denken wir aber, dass wir die Schwerpunkte wirklich gleich gesetzt haben, weil die Blätter ja gleichzeitig kippen oder wir die Schwerpunkte auf beiden Blättern gleich angezeichnet und vermessen haben. Leider täuschen wir uns da eben wahrscheinlich.
Dazu gehe ich aber auf der Seite „Drahtmethoden“ nochmal genauer ein.
Gewicht:
Auch die Briefwaagen haben eine bestimmte Genauigkeit. Wenn wir eine Waage mit 0,1g Auflösung an der Anzeige verwenden, können wir eben nicht sagen, ob die Blätter 122,95g oder 123,04g haben. Es ist also genau die Auflösung der Waage als Unsicherheit enthalten.
Bei einer Waage mit 0,01g gilt das analog nur eben etwas genauer.
Achtung: nur weil die Briefwaage auf 0,01g genau anzeigen kann, heißt das nicht, dass das wirklich genau das Gewicht der Blätter ist. Ich habe hier beim Wiegen große Unsicherheiten festgestellt. Selbst wenn das Blatt immer gleich auf die Waage gelegt wird, sind deutliche Unterschiede feststellbar. Die wirkliche Genauigkeit ist also noch schlechter.
Nehmen wir also mal an, dass die realen Werte der Blätter genau an der Messgrenze liegen.
Das nennt man in der Technik „worst case“ also der schlimmste Fall, der toleranz-technisch gesehen, eintreten kann: das leichteste und das schwerste Blatt innerhalb des Messbereichs wurden kombiniert.
Blöderweise haben sich vielleicht auch noch die Schwerpunktlagen ungünstig kombiniert. Das schwere Blatt hat den Schwerpunkt weiter außen.
Das heißt nun, dass die Blätter eigentlich so aussehen könnten (und wir können es mit den den Drahtmethoden und der Briefwaage, nicht feststellen!):
Masse SP-Lage
Blatt 1 123,04g 295,5mm
Blatt 2 122,95g 295mm
Wenn wir davon jetzt mal m*r (Unwucht) für jedes Blatt ausrechnen und vergleichen, kommt folgendes heraus:
Masse SP-Lage m*r (auf Blattwaage)
Blatt 1 123,04g 295,5mm 36358,32gmm
Blatt 2 122,95g 295mm 36270,25gmm
88,07gmm
Wir haben also eine Restunwucht von 88gmm in den Blättern, bereits wenn sie direkt miteinander verschraubt sind.
Werden die jetzt am Rotorkopf montiert gibt es wieder den Effekt 1 und das Ganze wird noch schlimmer:
Die Restunwucht wird durch Effekt 1 auf 95gmm vergrößert und erzeugt bei 2000U/min eine Fliehkraft von 416g am Rotorkopf mit 150mm Ø.
Und nun die Version mit einer Blattwaage:
Wir nehmen also wieder die Blätter von oben.
Masse SP-Lage
Blatt 1 123g 295mm
Blatt 2 122,9g 295mm
Damit die Ergebnisse vergleichbar sind, nehmen wir genau die Blätter mit den realen Werten von oben.
In der Realität könnten die Blätter demnach also wieder so aussehen:
Masse SP-Lage
Blatt 1 123,04g 295,5mm
Blatt 2 122,85g 295mm
Die geben wir jetzt auf die Blattwaage. Die Blattwaage misst ja nicht das Gewicht der Blätter sondern deren Drehmoment:
Masse SP-Lage r*m Blatt senkt sich
Blatt 1 123,04g 295,5mm 36358,32gmm X
Blatt 2 122,85g 295mm 36240,75gmm
117,57gmm
Blatt 1 ist, wenn wundert´ s , das Blatt, das sich senken wird. (Das Blatt ist schwerer und hat den Schwerpunkt noch weiter außen. Es muss sich also senken)
Was passiert nun auf der Blattwaage? Wir gehen ja davon aus, dass die Schwerpunktlagen stimmen und müssen nun also im Schwerpunkt des nach oben gehenden Blattes Gewicht aufbringen und zwar so viel, dass die Waage (im Idealfall) überall stehen bleibt.
Wieviel Gewicht wird nun hier aufgebracht? Wir wollen das hier ja nicht ideal, sondern real durchrechnen.
Dazu müssen wir uns die Auflösung von Blattwaagen genauer anschauen. Nehmen wir mal an, dass die Blattwaagen ein Moment von ca. 0,5gmm erkennen können. (Das entspricht ca. 1mm Tesastreifen am Blattende bei ca. 600mm oder genau 1mg in 500mm Radius.)
Das heißt, dass die Blattwaage die beiden Drehmomente der Blätter bis auf eine Restungenauigkeit von 0,5gmm genau aneinander anpassen wird.
Das kann dann so aussehen:
Masse SP-Lage r*m
Blatt 1 123,04g 295,5mm 36358,32gmm
Blatt 2 123,246847g 295mm 36357,82gmm
0,5gmm
oder so:
Masse SP-Lage r*m
Blatt 1 123,04g 295,5mm 36358,32gmm
Blatt 2 123,250237g 295mm 36358,82gmm
-0,5gmm
(Den Positionierungs-Fehler, den wir beim Aufbringen des Wuchtgewichtes machen, habe ich vernachlässigt. Es hat kaum eine Auswirkung wenn das Wuchtgewicht 1mm versetzt an der falschen Position angebracht wird. Der Schwerpunkt des Blattes würde nur im µm-Bereich verschoben.)
In beiden Fällen ist die Restunwucht also nur 0,5gmm. Nur die Kraft-Richtung ist eine andere.
Die sich daraus ergebende Fliehkraft beträgt, wieder bei 2000U/min und 150mm-Kopf, diesmal nur 66g bzw. 71g
Der Unterschied in der Unwucht und Fliehkraft am Rotorkopf bei der Version mit der Blattwaage kommt aus dem Effekt 1, der für die beiden Toleranzmöglichkeiten unterschiedliche Auswirkung hat. Bei den beiden Methoden der Briefwaage habe ich ja nur den Worst Case, also den schlimmst-möglichen Toleranzfall betrachtet.
Vergleich zwischen Briefwaage und Blattwaage:
(ich habe die Werte einer Briefwaage mit 0,01g Auflösung mit aufgenommen)
Unwucht verschraubt [gmm] "Fliehkraft" verschraubt [g] Unwucht am Rotorkopf [gmm] Fliehkraft am Rotorkopf [g]
Briefwaage 0,1g 88 386 95 416
Briefwaage 0,01g 64 281 65 284
Blattwaage ±0,5 -2 / 2 -16 / -15 -71 / -66
„Fliehkraft verschraubt“: würden sich die Blätter direkt miteinander verschraubt mit 2000U/min drehen, würde sich diese „Unwuchtskraft“ ergeben.
„Fliehkraft am Rotorkopf“: Durch Effekt 1 (die Schwerpunkte sind ja real 0,5mm auseinander) ergibt sich am Kopf eine höhere „Unwuchtskraft“
Man sieht also sehr deutlich, welche Methode genauer ist. Das gilt auch noch, wenn eine Briefwaage mit 0,01g Auflösung verwendet wird.
Die 10fach bessere Gewichtsermittlung verbessert zwar die Restunwucht etwas, dieser Wert ist aber immer noch deutlich schlechter als die Verwendung der Blattwaage.
Übrigens noch eine interessante Erkenntnis daraus:
Wenn das Gewicht beider Blätter sehr gleich ist, tritt der Effekt 1 kaum auf. Oder besser ausgedrückt: je gleicher das Gewicht der Blätter ist umso weniger verändert sich die Unwucht beim Transfer der Blätter von der Blattwaage an den Rotorkopf. (das habe ich unter Effekt 1 nochmal genauer beschrieben)
Ich würde immer die Blattwaage als abschließenden Vorgang beim Auswuchten der Rotorblätter vorschlagen.
Wenn dann noch die Einblattwaage mit Kopfabstand verwendet wird, tritt der Effekt 1 nahezu nicht mehr auf.
Hinweis:
Dieses Beispiel wurde für die bisherigen Drahtmethoden durchgerechnet. Man sieht deutlich, dass der Schwerpunktversatz immer noch Unwuchten erzeugt, die auch mit der Blattwaage als abschließenden Vorgang nicht weiter verbessert werden können.
Das liegt nur daran, dass die Schwerpunkte noch 0,5mm auseinander liegen. Mit anderen Methoden ist hier ein besseres Ergebnis erreichbar.
Ich möchte mit dem Beispiel nur verdeutlichen, was am Ende herauskommen kann, wenn man zwar meint alles richtig gemacht zu haben, aber unbewusst Fehler eingebaut hat, weil eben die Methoden Toleranzen haben.
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