Stab-Konzepte

Die wohl meisten Konzepte, wie Mausefallenautos aufgebaut sind, enthalten einen einfachen Stab, der an dem Bügel der Falle angebracht ist.

Es ist auch durchaus nachvollziehbar diesen Aufbau zu verwenden: er ist sehr einfach herzustellen, kann einfach an die Bedingungen des Autos angepasst werden, er kann sehr leicht gebaut werden (leicht im Sinne von „wiegt nicht viel“) ,..

Es gibt also viele Vorteile, die dafür sprechen das Auto mit einem solchen Hebel aufzubauen.

Nachdem ich herausgefunden habe, dass  sogar ein „Weltmeisterauto“

(http://digg.com/video/mousetrap-car-tips oder https://www.youtube.com/watch?v=b7zWwo9dbiU&t=633s beide ab 9:55)

ebenso aufgebaut ist, habe ich mich entschlossen, dieses Konzept doch mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Schauen wir uns also das Stab-Konzept mal genauer an.

Der Stab ist an dem Arm der Falle angebracht. An seinem Ende ist ein Faden befestigt, der von der Achse abgewickelt wird.

Je nach Stellung des Hebels ergibt sich ein anderer Winkel zwischen Faden und Stab, so dass sich auch die Kraftkomponente, die in dem Faden wirkt und die ja die Achse des Autos drehen soll, ändert.

Kann es möglich sein, dass dieser Aufbau eine konstante Fadenkraft erzeugt?

 

 

Rechts habe ich vereinfacht eine Mausefalle mit einem Stab skizziert. Vom Stab geht die Schnur zur Achse, auf der sie aufgewickelt ist.

 

Von oben nach unten soll in ein paar Ausschnitten ein Bewegungsablauf der Mausefalle und des Hebels dargestellt sein.

 

Wie auf den Bildern zu sehen ist, ändert sich der Winkel des Fadens zum Stab ständig mit dem Winkel des Stabes zur Falle. 

Je weiter die Falle das Auto antreibt, umso kleiner wird der Winkel zwischen dem Stab und dem Faden.

 

Zusätzlich ändert sich ja auch die Kraft im Hebel der Falle ständig. Je weiter sich die Falle wieder entspannt, desto kleiner wird auch die Kraft am Mausefallen-Hebel.

Damit ergibt sich eine Kraftänderung in Richtung und Betrag, je nach Winkel des Hebels.

Dadurch, dass zwar die Kraft der Mausefalle zum Ende der Bewegung hin abnimmt, gleichzeitig aber der Winkel der Schnur zum Stab erwarten lässt, dass die Kraft im Faden ansteigt, habe ich mir die Frage gestellt, ob es nicht sein kann, dass dieses Konzept vielleicht sogar eine sehr konstante Fadenkraft erzeugen könnte. 


Das wollte ich mal versuchen herauszufinden.

Dazu habe ich mir die Hebelverhältnisse und die Federkonstante der Drehfeder genauer angeschaut:

 

 

Berechnung des Kraftverlaufes

 

 

 

Die Formel für die Kraftänderung der voll gespannten Falle (Fa)  bis zum ganz entspannten Zustand (Fe) schaut so aus:

Fm(a) = - (Fa – Fe) / a_ges * a + Fa 

 

a_ges ist dabei der Winkel, den die Falle zwischen den beiden gemessenen Kräften Fa und Fe hat, also ca. 180°

Fa ist die Anfangskraft am Hebel in voll gespanntem Zustand (Auto voll aufgezogen), Fe die Kraft am Ende, wenn die Falle den Faden ganz abgewickelt hat. Diese beiden Kräfte kann man messen.

Ich habe für meine Berechnungen angenommen, dass sich die Kraft der Mausefalle proportional zum Winkel ändert.

 

 

Rechts im Bild ist die Kennlinie einer Mausefalle zu sehen, die ich in der Berechnung verwendet habe. 

Aus den Anfangs- und Endkräften habe ich die Geradengleichung (siehe oben) ermittelt.

X-Achse: Winkel in °

Y-Achse: Kraft in N

 

 

 

Die Kraft am Hebel der Mausefalle erzeugt ein Moment Mm(a).

Mit diesem Moment kann man die Kraft am Ende des langen Hebels berechnen. Das würde zwar auch einfach über das Hebelgesetz gehen, ich habe aber den Umweg über das Moment gewählt, weil ich später noch das Gewicht des Zusatzhebels in die Rechnung einbeziehen möchte.

 

Im Moment aber die Berechnung ohne Gewicht des Zusatzhebels.

 

Durch die Winkeländerung des Stabes und damit des Fadens ändert sich aber ja zusätzlich die Kraftkomponente, die dann das Auto wirklich antreibt. Zu Beginn der Bewegung, wenn das Auto voll aufgezogen ist, wirkt die Fadenkraft, je nach Konstruktion des Autos, idealerweise senkrecht zum Stab. Gegen Ende der Bewegung wirkt die Kraft im Faden fast parallel zum Stab.

So eine Konstruktion (also so ähnlich wie auf den Ablaufbildern oben) habe ich in meiner Betrachtung mal angenommen.

 

Der Winkel b zwischen Faden und Stab ist immer halb so groß wie der Winkel a zwischen Hebel und Mausefalle.

 

Am Ende der Bewegung, ist der Winkel so klein, dass die Kraft im Faden stark ansteigen muss, obwohl die Falle selbst kaum mehr Kraft hat. Die Formel der Kraft im Faden durch die Winkeländerung schaut so aus: Fzug(a)= Fh/cos(a/2)

 

Mit allen diesen Formeln kann man Schritt für Schritt eine Gesamtformel erstellen, die die Kraft im Faden in Abhängigkeit des Auslenkwinkels der Falle und den Kräften der Mausefalle ermittelt:

ich setze nun folgende Werte in die Gleichung ein:

 

Anfangskraft der Mausefalle     Fa = 7,5N (entspricht einer Gewichtskraft von 750g)

Endkraft der Mausefalle             Fe = 2,5N

Bewegungsbereich                     a_ges = 180°

Mausefallenhebel                        lm = 40mm

Zusatzhebel                                  lh =400mm 

 

Wenn man dann den Winkel Alpha von 0° (zu Beginn der Fahrt) bis 180° (Falle entspannt, Auto bleibt stehen) laufen lässt, kommt folgende Kurve heraus:

Es sind zwei Diagramme überlagert dargestellt.

Y-Achse: Kraft im Faden in [N]

X-Achse: Winkel des Stabes in [°]

 

Auf dem kleinen Diagramm links oben ist nur die Y-Achse größer skaliert. Auf dem Bild sieht man schön, wie die Kraft sehr stark zum Ende der Bewegung hin ansteigt, während es eine lange Zeit (bis ca. 130°) einigermaßen linear aussieht.

Skaliert man die Y-Achse etwas anders, so entsteht das größere Diagramm. 

Hier sieht man, dass die Kurve doch nicht sehr linear verläuft. Bei 60° ist die Fadenkraft am kleinsten. Ab etwa 110° ist die Anfangskraft bereits wieder erreicht. Ab da geht die Kurve steil nach oben. Große Kraft heißt kleiner Weg (Hebelgesetz).

 

Folgende Nachteile des Stab-Konzeptes können also aus dem Kraftverlauf abgeleitet werden:

 

Nutzbarer Winkelbereich

Man kann erkennen, dass der Winkelbereich, der mit so einem Stab sinnvoll genutzt werden kann, etwa nur 160° beträgt. Danach wird die Kraft so groß, und damit der Weg so klein, dass der Stab wahrscheinlich einfach nur noch nach unten klappt, ohne das Auto auf den letzten Winkelgraden noch effektiv anzutreiben.

 

Kraftminimum

Man sieht, dass die Kraft im Faden zuerst immer weiter abnimmt und zum Ende hin, wie erwartet, schnell ansteigt.

Ein Auto, welches zu Beginn der Bewegung noch fährt, kann in etwa bei 60° zurückgelegtem Winkel der Bewegung einfach stehen bleiben, weil dort die Fadenkraft am geringsten ist.

Die Länge des Stabes, also damit die Kraft, die im Faden zum Antrieb zur Verfügung steht, muss also auf das Minimum des Kraftverlaufes abgestimmt werden.

 

 

Zusatzhebelgewicht

Das Gewicht des Stabes, macht die Kurve übrigens nicht gerader, sondern verformt die noch weiter zu einem Bogen. Der Stab muss also so leicht wie möglich sein, darf sich aber eigentlich nicht biegen, weil er ja sonst wie eine zusätzliche, aber eigentlich nicht zulässige, Feder wirkt. Hier mal ein Vergleich. Links eine Berechnung ohne Gewicht des Zusatzhebels, rechts hat der Zusatzhebel ein Gewicht von (etwas übertriebenen) 50g. Man kann erkennen, dass die Kurve auf dem rechten Bild etwas runder geworden ist und die Anfangskraft gesunken ist (klar, die Falle muss ja den Zusatzhebel auch noch mit hochheben)

 

 

 

 

 

 

Mögliche Fadenlänge:

Das Stabkonzept kann ja nur die doppelte Fadenlänge des Stabes nutzen. Der Stab kann sich nur um 180° auf die andere Seite bewegen. Damit wird die doppelte Länge des Stabes an Faden von der Achse abgewickelt.

Hier der direkte Vergleich zu meinem Konzept:

Eine meiner Kurvenscheibe hat einen Hebel zu Beginn der Bewegung von 180mm. 

Ein entsprechender Stab mit einer Länge von 180mm, könnte der bei vollem Bewegungsbereich max. 360mm Faden von der Achse wickeln. Die Fadenkraft sinkt dabei zuerst und steigt dann wieder an.

(Deshalb müsste der Stab eigentlich sogar noch etwas gekürzt werden, um auch in der Mitte der Bewegung noch dieselbe Kraft wie die Kurvenscheibe aufbringen zu können. Damit sinkt aber die mögliche Fadenlänge etwas. Das vernachlässigen wir aber mal.

Wir vernachlässigen aber auch mal den nicht voll nutzbaren Bereich des Stabes.)

 

Die Kurvenscheibe wickelt ebenfalls ca. 360mm Faden ab und hält dabei aber die Fadenkraft ziemlich konstant.

 

Nachtrag 18.03.2023

einen Vergleich der Fadenlängen, die die beiden Konzepte von der Achse abwickeln, findet ihr auch unter Berechnungen/Reichweite.

 

 

Wir haben also doch ein paar Nachteile des Stab-Konzeptes gefunden:

• Es kann nicht der volle Winkelbereich des Mausefallenhebels genutzt werden

• Der Kraftverlauf im Faden ist nicht linear 

• Gewicht des Stabes kann nicht ausgeglichen werden

• Es wird evtl. nicht die maximal mögliche Fadenlänge genutzt.

 

Vorteile:

es gibt aber zwei wichtige Vorteile des Stabs-Konzeptes:

• die Autos sind sehr einfach aufzubauen 

• die Autos können sehr leicht gebaut werden

 

Wichtige Info:

Das alles hier sind Feinheiten, die kaum eine Rolle spielen, wenn man sich noch nicht an der Grenze des Machbaren bewegt.

Deshalb hat das Konzept, auch, oder gerade, weil es für Schüler deutlich einfacher nachzubauen und zu verstehen ist, durchaus seine Berechtigung!

 

Also, liebe Kinder und Jugendliche (und auch Erwachsene): es geht mir hier nicht darum, das Stab-Konzept schlecht zu machen.

Baut die Autos durchaus weiter so. Das Konzept ist gut und tausendfach bewährt.

Es würde mich aber natürlich auch freuen, wenn ich in Zukunft ein paar Kurvenscheiben im Netz sehen würde. :-)

Wie das derzeitige (ab 14.04.2019 vorherige  wegen meinem? )  "Weltmeisterauto" (Link siehe oben) beweist, ist das Stab- Konzept durchaus geeignet, richtig weit zu fahren! 

Und ganz ehrlich: ich bin immer wieder begeistert, was die Schüler für tolle Ideen haben und was sie für klasse Autos bauen!

Seid also weiterhin so kreativ und baut so schöne Mausefallenautos.

 

Ich möchte mit meinem Auto nur versuchen die Grenzen des Machbaren erweitern und evtl. die bisher mir bekannten Reichweiten von Mausefallenautos zu vergrößern. Will man ein Auto bauen, das aus der Falle wirklich alles herausholt um möglichst weit zu fahren, ist meiner Meinung nach das Stab-Konzept noch nicht das Optimale.

Da das Weltmeisterauto diese enorme Reichweite aber mit dem Stabkonzept erreicht hat, glaube ich, dass ich mit meiner Kurvenscheibe auf dem richtigen Weg bin um neue Rekordweiten aufzustellen.