Vorlauf

In diesem Kapitel möchte ich mich dem Thema Vorlauf etwas widmen. Ich habe auch hierzu ein paar Rechnungen durchgeführt um manche Thesen, die so  im Netz kursieren und immer wieder angebracht werden, bewerten zu können.

 

Was ist der Vorlauf überhaupt?

Zum Vorlauf gibt es im Netz bereits viele Infos. Wer also detailliertere Infos benötigt wird hier sicherlich fündig. 

 

Hier nur nochmal eine Kurzerklärung:

Der Vorlauf ist Schwerpunktlinie von der Bohrung durch den Schwerpunkt der Blätter. 

Der Schwerpunkt liegt meistens weiter Richtung Hinterkante der Blätter verschoben, als die Bohrung der Blatthalterschraube.

(positiver Vorlauf )

Ein Vorlauf ist absichtlich über die Geometrie des Blattes einkonstruiert. Er soll die Steuerung des Helis erleichtern, bzw. bestimmte Eigenschaften der Rotorblätter erzeugen. Leider gibt es durch die Herstellung des Blattes dann eben Unterschiede zwischen den Blättern.

 

Bei der Rotordrehung gilt nun folgendes:

Da immer angenommen wird, dass die Fliehkraft im Schwerpunkt angreift, wird sich das Blatt so ausrichten, dass die Vorlauflinie von der Rotorachse axial nach außen zeigt. Bei positivem Vorlauf zeigen die Blätter also weiter nach vorne.

 

 

 

Wie kann der Vorlauf gemessen werden?

-        Klinge: Blätter auf einer Klinge ausbalancieren (vgl. Drahtmethode)

         Blätter werden hier aber in einem Winkel auf die Klinge gelegt, so dass ein Kreuz auf dem Blatt erzeugt werden kann,

         welches dann die Schwerpunktlage markiert. Die Linie durch diesen Schnittpunkt und die Mitte der Bohrung für die

         Blatthalterschraube zeigt dann den Vorlauf.

 

-        Aufhängen beider Blätter übereinander -->Vorlaufunterschied der Blätter sichtbar

         Das ist meine bevorzugte Methode. Um Unterschiede im Vorlauf auszumessen ist das die einfachste Methode.

         (siehe nachfolgendes Bild unten)

 

-        Aufhängen eines Blattes über einer Lotlinie  -->Vorlauflinie sichtbar/anzeichenbar

 

Bilder versuche ich dazu noch einzustellen. Es gibt dazu aber bereits sehr viele Infos im Netz.

 

 

 

 

Vorlaufunterschied wegen unterschiedlicher Schwerpunktlage

Ich lese immer wieder, dass die Schwerpunktlage der Rotorblätter gleich sein muss, weil sonst auch der Vorlauf der Blätter unterschiedlich ist und sich deshalb Vibrationen und Unwuchten ergeben. Das schauen wir uns doch mal genauer an.

 

 

 

 

 

 

Nehmen wir doch mal 600er Blätter. Meine hatten den Schwerpunkt bei ca 295mm von der Bohrung entfernt. Ich habe auch mal ermittelt, wie groß der unterschiedliche Vorlauf der Blätter ist. Die Blattenden waren ca. 5mm auseinander bei der Messung nach dem Bild hier nebenan. Das ergibt einen unterschiedlichen Vorlaufwinkel von 0,5°.

Nehmen wir mal an, wir haben folgende Blätter (das waren ungefähr meine 600er vom T-Rex600):

Blatt 1 Schwerpunktlage bei 295mm

Blatt 2 Schwerpunktlage bei 296mm

Beide Blätter haben den Schwerpunkt genau 10,2953mm von der Nasenleiste weiter weg, als die Lage der Bohrung von der Nasenleiste.

(Das entspricht einem Vorlaufwinkel von genau 2° beim Blatt 1.)

 

Beim Blatt 2 ist der Schwerpunkt ja 1mm weiter nach außen verschoben. In der nachfolgenden Skizze wird die Verschiebung übertrieben dargestellt.

Die Genauigkeit der Schwerpunktlagen der Blätter zueinander von 1mm ist sogar mit den „alten“ Drahtmethoden erreichbar. Viel schlechter sind auch neu gekaufte Blätter heutzutage nicht. 

 

 

  

Der Vorlaufunterschied  (Delta-Alpha) der beiden Blätter beträgt also gerade mal 0,007°!

(in der oberen Skizze beide Blätter überlagert und grob überzeichnet dargestellt)

Zur Erinnerung: der Unterschied im Vorlauf war bei den realen Blättern bereits ab Werk 0,5° unterschiedlich.

  

Ob sich da also der Effekt des Vorlaufunterschieds von 0,007° zwischen den Blättern wirklich bemerkbar macht, darf jetzt jeder für sich beurteilen.  

 

Meiner Meinung nach ist das Argument oben für die Schwerpunktunterschiede, wie sie bei modernen Blättern noch vorhanden sind, nicht relevant. Ich denke, dass das aus den Anfängen der Helifliegerei kommt, wo die Blätter noch deutlich unterschiedlicher waren.

Übrigens: um denselben Fehler von ±0,5° durch eine unterschiedliche Schwerpunktlage zu machen, wie er bei der Herstellung der Blätter entstanden ist, müsste der Schwerpunkt des zweiten Blattes nicht bei 296mm sondern bei ca. 393mm liegen.

Oder alternativ  bei 236mm wenn der Winkel-Fehler in die andere Richtung  zeigen soll.

 

Wir würden also mit der Schwerpunktangleichung der Blätter den durch die Herstellung enthaltenen Vorlaufunterschied von 0,5° auf sage und schreibe 0,493° verbessern (oder auf 0,507° verschlechtern). Da lohnt sich der Aufwand der Schwerpunktanpassung aus Gründen der Vorlaufoptimierung so richtig :-) 

 

 

Übrigens kann auch eine Verschlechterung durch das Angleichen der Schwerpunktlagen entstehen:

Zur Schwerpunktangleichung (und der damit erhofften Vorlaufoptimierung) wurde Schwerpunkt 1 (SP1) in Richtung SP2 verschoben.

Blöderweise kann dadurch der Vorlaufunterschied sogar verschlechtert werden.

Wie aber bereits erwähnt spielen sich unsere Schwerpunktverschiebungen in einem äußerst kleinen Bereich ab, so dass auch die "Vorlaufunterschiedverschlechterungen" dadurch vernachlässigbar sein dürften.

 

Wieder mal meine persönliche Meinung:

Bevor wir solche Unterschiede (bezogen auf den Vorlauf) beachten oder gar korrigieren, sollten wir, wenn überhaupt, den Vorlauf-Fehler, der bereits bei der Herstellung der Blätter entstanden ist, korrigieren.

Wenn wir die Vorlauffehler, die bereits in den Blättern enthalten sind, akzeptieren, dann brauchen wir uns über Unterschiede in der Schwerpunktlage im Millimeterbereich wohl gar keine Gedanken machen. 

 

 

Noch dazu, weil die Fliehkraft ja eine Flächenlast ist und nicht im Schwerpunkt angreift sondern weiter außen am Blatt.

Wie da dann der Vorlauf in der Drehung wirklich genau ausschaut, ist fraglich.

 

Übrigens habe ich ähnliche Aussagen auch auch schon bezüglich des Schwenkverhaltens der Blätter gehört.

Auch hier soll der unterschiedliche Schwerpunktabstand die Ursache dafür sein, dass die Blätter unterschiedlich Schwenken und so dann Vibrationen erzeugen. Meiner ganz persönlichen Meinung nach ist das genauso irrelevant, wie die davon hervorgerufenen Vorlaufunterschiede, die ich hier oben beschrieben habe.

 

 

 

Optimierungsmöglichkeiten

Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich noch bei keinen Blättern den Vorlauf korrigiert habe. Deshalb kann ich hier auch keine Empfehlungen niederschreiben.

Ich habe im Netz folgende Lösung gefunden:

-        Tesa an einem Blatt an der Vorderkante und am anderen Blatt an der Hinterkante anbringen.

          Ob man damit allerdings den Vorlauf so weit korrigieren kann, kann ich nicht beurteilen.

 

Vorlauf auf der Blattwaage mit senkrecht stehenden Blättern

Auf der Blattwaage hat unterschiedlicher Vorlauf der Blätter schon einen kleinen Effekt.

Ob der überhaupt beim Fliegen festgestellt werden kann, stelle ich wieder in Frage. Aber derjenige, der wirklich alles aus seinem Auswuchtprozess herausholen möchte, kann sich diesen Punkt hier ja mal anschauen:

Wie oben beschrieben, wird sich das Blatt so ausrichten, dass die Vorlauflinie von der Rotorachse weg zeigt.

 

Um Rotorblätter nun wirklich perfekt auszuwuchten, kann bei Blattwaagen, bei denen die Blätter mit den Hinterkanten nach unten auf der Blattwaage angeordnet sind, eine kleine Optimierung eingebracht werden.

 

 

Dazu messen wir den Vorlauf der Blätter mit einem Lot. Am Randbogen des Blattes können wir nun die Vorlauflinie skizzieren.

(das beschreibe ich noch)

 

Angenommen wir haben zwei Blätter, deren Schwerpunkt in Lage und Masse perfekt gleich ist. Sie werden kaum Unwuchten erzeugen, weil sich die Schwerpunkte am Rotorkopf genau gegenüber ausrichten und genau gleiche Fliehkräfte erzeugen.

Lediglich der Vorlauf passt nicht zusammen. Weil dann am Rotorkopf ein Blatt dem anderen voreilt, kann das zu negativen aerodynamischen Effekten führen. Auch der Blattspurlauf kann davon beeinflusst sein. Darum geht es hier aber ja nicht.

 

Den Vorlauf haben wir mal mit einem Strich am Randbogen markiert. Die Blätter könnten auf der Blattwaage nun so angeordnet sein:

Wenn wir Blätter auswuchten gehen wir oft davon aus, dass die Blätter am Ende so ausbalanciert sein müssen:

Die Geometrie der Blätter soll ideal horizontal ausgerichtet sein. Davon gehen viele Anleitungen aus.

 

 

 

Durch den unterschiedlichen Vorlauf ergibt sich aber bei den angenommenen Blättern folgendes Bild auf der Blattwaage:

Zur Erinnerung: die Blätter sind absolut identisch, nur der Vorlauf ist unterschiedlich. Rein fliehkrafttechnisch gesehen sind die Blätter perfekt. Obwohl sie gleiche Schwerpunktlage und gleiche Masse haben, sind sie auf der Blattwaage schief. Was aber auffällt ist, dass die Vorlauf-Markierungen gleich weit vom Tisch weg liegen.

 

Diese Blätter sollten also nicht durch Auswuchten in die horizontale Lage gebracht werden, sonst würden wir die ja wieder unwuchtig machen.

Um den Vorlauf beim Auswuchten zu berücksichtigen, sollten wir die Vorlaufmarkierungen als Abstandsmaß zur horizontalen Ausrichtung verwenden. Wenn diese Markierungen gleichen Abstand vom Tisch haben, sind die Blätter perfekt ausbalanciert. Der Vorlauf ist berücksichtigt (aber noch nicht korrigiert).

 

 

 

Hier nochmal ein Beispiel dazu mit einer anderen Anordnung der Blätter auf der Blattwaage.

Viele bauen die Blätter ja so auf die Blattwaage, wie sie am Rotorkopf auch montiert sind. Dieses Bild möchte ich hier mal verwenden, um den Einfluss des Vorlaufs auf das Wuchten auf der Blattwaage zu verdeutlichen.

 

Ich habe den Vorlauf der Blätter mal extrem eingezeichnet (rote Linie). So seien die Blätter für diese Erklärung mal auf der Blattwaage angeordnet:

Annahme die Blätter sind ideal ausgewuchtet. Gleiche Masse und die Schwerpunktlage ist auch identisch. Wenn die Blätter gleichen Vorlauf haben, werden sie auf der Blattwaage in jedem Winkel stehen bleiben, weil der gemeinsame Schwerpunkt genau auf der Achse der Blattwaage liegt und kein Drehmoment erzeugt.

 

Nehmen wir nun an, dass die Blätter unterschiedlichen Vorlauf haben. Im nächsten Bild wieder extrem dargestellt:

Es sind dieselben idealen Blätter von oben, nur der Vorlauf ist eben unterschiedlich. Das linke Blatt hat einen deutlichen Vorlauf, das rechte nahezu keinen.

 

Diese Blätter haben einen gemeinsamen Schwerpunkt, der nun neben der Achse der Blattwaage liegt. Sie werden sich nun auf der Blattwaage drehen, bis der gemeinsame Schwerpunkt unterhalb der Drehachse liegt:

Wir haben die Blätter vielleicht gerade erst gewogen und festgestellt, dass sie gleich schwer sind. Den Vorlauf haben wir aber nicht ermittelt. Wir werden nun denken, dass eben auf einem Blatt etwas Gewicht zum Auswuchten nötig ist.

Damit machen wir aber perfekte Blätter unwuchtig. Sie hätten ohne das zusätzliche Gewicht keine Unwucht gehabt.

Die beiden Schwerpunkte hätten sich am Rotor genau gegenüber ausgerichtet, die beiden Vorlauflinien wären eine gemeinsame Gerade.

Abgesehen von aerodynamischen Effekten und dass beim Pitch geben ein Blatt höher gekippt wird und damit der Blattspurlauf evtl. nicht passt, hätten diese Blätter kaum Vibrationen erzeugt.

 

Da wir aber auf der Blattwaage ein zusätzliches Wuchtgewicht aufgebracht haben, um die Blätter wieder "in die Waage" zu bringen, haben wir unbeabsichtigt Unwuchten eingebaut.

 

Der unterschiedliche Vorlauf kann auch die Ursache dafür sein, dass solche Blätter auf der Blattwaage niemals in jeder Lage stehen bleiben, so wie das in einigen Anleitungen als Ziel angestrebt wird. Sie werden sich vielleicht immer in die annähernd horizontale Lage auspendeln wollen. Das bringt dann die Leute zur Verzweiflung, weil es mit solchen Blättern evtl. nie möglich sein wird, dieses Ziel zu erreichen.

 

Die Methode mit der Markierung des Vorlaufes auf den Blättern funktioniert übrigens bei dieser Anordnung der Blätter nicht, weil der Abstand zum Tisch bei den Blättern so ja sowieso nicht gleich ist. 

 

Meine Empfehlung wieder mal: Anordnung der Blätter auf der Blattwaage mit den Hinterkanten nach unten. Diese Anordnung hat meiner Meinung nach nur Vorteile. (siehe auch Blattwaage empfindlicher stellen)